magic hour |
Österreich 1999
45 min |
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Ausschnitt |
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Der
Begriff „Found footage“ bezeichnet üblicherweise
die künstlerische Arbeit mit bestehendem, von fremder Hand gedrehtem
Film- oder Videomaterial. Im österreichischen Grenzgängerkino
hat diese Technik des „zweiten Blicks“ eine starke Tradition.
Manfred Neuwirth, selbst ein Grenzgänger zwischen Neuen Medien,
Dokumentar- und Avantgardefilm, sucht stattdessen nach dem ersten
Blick. Ihm geht es um eine noch buchstäblichere Art von „Found
footage“ – um Bilder und Töne des Alltags, die nicht
gesucht, „gebaut“ und kompliziert bearbeitet sind, sondern
die en passant entstehen und dennoch dicht
und mitteilungsfähig werden.
Magic hour ist der Abschluss einer – nunmehr abendfüllenden
– Video/Film/DVD-Trilogie, die von Tibet (Tibetische
Erinnerungen) über Japan (manga train)
nach Niederösterreich führt. Der vorurteilslose, nicht-nostalgische
Blick auf die Orte, Laute, Geschmäcker der Kindheit und Heimat
ist wahrscheinlich noch schwieriger zu fassen als der auf ferne Terrains:
Es gibt auch einen Exotismus der Erinnerungsbilder. Doch wenn sich
Neuwirth filmend „erinnert“, ans Tischfußballspiel
und den roten Plastikteufel vom Kirtag, an Blasmusik und Hubschraubersound,
an das Gefühl von Schnee und flackerndem Licht, entsteht eine
seltene Balance zwischen dem Archetypischen und dem ganz Gegenwärtigen,
Einzigartigen; eine Balance zwischen Traum und Tagebuch.
Dem Ton (surround sound) kommt dabei eine
entscheidende Funktion zu. Er dient zur Orientierung und Identifikation
einer „Szene“, wenn der Bildinhalt geografisch nicht eindeutig
ist. Er erzeugt eine räumliche Spannung, die vom Bild nicht gelöst
werden will: einen blinden Fleck der Repräsentation, der diese
vom „ganzen“ oder „wirklich gelebten“ Moment
bewusst unterscheidet. Das gewohnte Verhältnis der Filmebenen
kehrt sich hier um: Der Originalton macht uns ein plastisches Bild
von der Welt, die fünffach verlangsamten Bilder produzieren eine
Art Fließen, wie man es gemeinhin der Tonwahrnehmung zuschreibt.
In Sans soleil spricht Chris Marker von
der „Zerbrechlichkeit dieser flüchtigen Momente, dieser
Erinnerungen, die zu nichts anderem gedient hatten, als eben Erinnerungen
zu hinterlassen.“ Auch Neuwirth bringt sich und sein Publikum
durch „eine bestimmte Farbe auf einer Straße in ein anderes
Land hinüber, in eine andere Distanz, in eine andere Musik“,
und muss dafür nicht einmal, wie Marker, Sprache oder Text
zu Hilfe nehmen.
Einmal sieht man eine Rockmusikbühne von hinten, Trockeneisnebel
steigt auf. Jemand singt Abba: I have a dream. Da ist die Zeit halb
leer oder halb voll, je nach Neigung des Betrachters. In Japan heißt
es über die Menschen der westlichen Welt: „Für sie
ist das Gegenteil von reden nicht zuhören, sondern warten.“
Wer in der Traumzeit der magic hour wie
gedrängt auf irgendetwas wartet, hat schon verloren.
Alexander Horwath
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