Magic Hour |
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1. Der Kameramann Nestor Almendros erzählt über die Dreharbeiten des Filmes „Days of Heaven“ unter der Regie von Terrence Malick: „Der visuelle Stil des Filmes hat sich an den Arbeiten der Stummfilmzeit orientiert, d.h. fast ausschließliche Verwendung natürlicher Lichtquellen. Einige Teile des Filmes wurden während der sogenannten „magic hour“ gedreht, der Zeit zwischen Sonnenuntergang und Dunkelheit. Für ein paar Minuten ist dann das Licht wirklich zauberhaft, weil niemand weiß, woher das Licht kommt. Und die Entscheidung während der „magic hour“ zu drehen war keine ästhetische, sondern im dargestellten Landleben war es einfach so, daß die Leute von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang gearbeitet haben. Die Szene am Fluß spielt dann in dieser Stimmung, wenn sie sich nach getaner Arbeit entspannen.
2. „magic hour“ ist eine persönliche Annäherung an für mich prägende Territorien. Annäherungen im Feld zwischen Erinnerungen, Gedanken, Kindheitserlebnissen, Erfahrungen, Bilderwelten. Persönliche Erinnerungen zu finden und als Bilder in sich wirken zu lassen ist ein „zauberhaftes“ Geschehen, daß mich immer wieder fasziniert. Vieles bleibt privat und persönlich, einiges geht nach außen in meinen künstlerischen Projekten. In den letzten Jahren kreisen meine Film-, Video- und Multimediaarbeiten um den Bereich des Erinnerns, der visuellen Erfahrungen, der Wahrnehmung.
3. In unserer Zeit mag es sinnvoll erscheinen, sich noch einmal an das Diktum von Jean Renoir zu erinnern, daß ein Film nur dann außerhalb seiner Grenzen seines Ursprungslandes verstanden werden kann, wenn er sich auf die spezifischen Realitäten seines eigenen Landes oder seiner Region konzentriert und aus diesen Realitäten seine künstlerische Form entwickelt. Wahrscheinlich ist diese „Formel“ auch heute noch gültig: in der Kunst läßt sich das Universelle nur durch die besonders starke Betonung des Besonderen, Spezifischen erreichen.
Ulrich Gregor
4. Die imaginäre Landschaft interessiert mich am stärksten. Sie filmisch herzustellen, ist mein Hauptanliegen. Dazu gehören nicht nur Bilder, die Ausschnitte und das Licht, sondern auch die Töne und Geräusche. Wenn ich irgendwo im Freien stehe, die Augen schließe und bloß hinhöre, sehe ich auch Bilder, die in den Köpfen der Zuseher entstehen, und wie man solche Bilder mit den Mitteln des Films zum Entstehen bringt. Wie viel respektive wenig muss ich in Bildern und Tönen vorführen, damit etwas Drittes entsteht, das weder in Bild noch Ton vorhanden ist, aber durch sie beim Zuseher Gestalt annimmt?
Fredi M.Murer
5. Wenn ich es irgendwie zusammenfassen soll, so fließt bei mir dokumentarisches und experimentelles Vokabular ineinander. Für mich ist es so: Die Lust gehört dem Experimentellen und die Liebe dem Dokumentarischen. Und es gibt Dinge, wo das sehr, sehr nahe ist und sich vereint. Wenn mir das gelingt, sind das die schönsten Momente, wenn ich Film oder Video mache.
6. Denn ein Weg zur Wirklichkeit geht über die Bilder. Ich glaube nicht, daß es einen besseren Weg gibt. Man hält sich an das, was sich nicht verändert, und schöpft damit das immer Veränderliche aus. Bilder sind Netze, was auf ihnen erscheint, ist der haltbare Fang. Manches entschlüpft und manches verfault, doch man versucht es wieder, man trägt die Netze mit sich herum, wirft sie aus und sie stärken sich an ihren Fängen. Es ist aber wichtig, daß diese Bilder auch außerhalb vom Menschen bestehen, in ihm sind sie selbst der Veränderung unterworfen. Es muß einen Ort geben, wo er sie unberührt finden kann, nicht er allein, einen Ort, wo jeder, der unsicher wird, sie findet. Wenn er das Abschüssige seiner Erfahrung fühlt, wendet er sich an ein Bild. Da hält die Erfahrung still, da sieht er ihr ins Gesicht. Da beruhigt er sich an der Kenntnis der Wirklichkeit, die seine eigene ist, obwohl sie ihm hier vorgebildet wurde. Scheinbar wäre sie auch ohne ihn da, doch dieser Anschein trügt, das Bild braucht seine Erfahrung, um zu erwachen. So erklärt es sich, daß Bilder während Generationen schlummern, weil keiner sie mit der Erfahrung ansehen kann, die sie weckt. Stark fühlt sich, wer die Bilder findet, die seine Erfahrung braucht. Es sind mehrere - allzuviele können es nicht sein, denn ihr Sinn ist es, daß sie die Wirklichkeit gesammelt halten, in ihre Zerstreuung müßte sie zersprühen und versickern. Aber es soll auch nicht ein einziges sein, das dem Inhaber Gewalt antut, ihn nie entläßt und ihm Verwandlung verbietet. Es sind mehrere Bilder, die einer für ein gutes Leben braucht, und wenn er sie früh findet, geht nicht zuviel von ihm verloren.
Elias Canetti