Bilder der flüchtigen Welt |
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„Das Schönste für mich wäre eigentlich ein Film, der nur aus einem Bild bestünde”
Ein Gespräch mit Manfred Neuwirth
von Stefan Grissemann
Ein zentraler Begriff deiner Arbeit, auch deiner neuen, ist die Erinnerung. Das Wesen des Kinos und der Videokunst ist es, Erinnerungen herzustellen, etwas festzuhalten für eine Zeit danach. Was bedeutet der Begriff der Erinnerung für deine Arbeit?
In „Bilder der flüchtigen Welt“ gehe ich von der Erinnerung meines Großvaters aus, eines Mannes der über einhundert Jahre alt geworden ist. Ich habe mich oft gefragt in der Zeit knapp vor seinem Tod, was bleibt nach so einem langen Leben an Bildern, wo kommt diese letzte Lebenskraft her, auch wenn der Körper kaum noch kann.
Es ist auch ein sehr persönliches Projekt, weil es um meine eigene Erinnerung geht. Ausgangspunkt ist ein Gedanke Canettis, in dem es heißt, dass man im Leben Bilder brauche, an denen man sich orientieren kann, die man hervorholen kann, wenn es nötig wird, die einem eine Art Lebensgerüst geben können: Canetti nennt das "Netze" - also Bilder, in denen und auf denen sich etwas verfängt. Ich habe das sehr klar an mir selbst erlebt: Bei mir gab es noch eine Lebensphase ganz ohne Fernsehen, in der Kindheit, als die Faszination fürs Kino auch dadurch noch viel höher war. Ob das jetzt der erste Karl-May-Film war oder etwas anderes: Das überlebensgroße Bild des Kinos hat mich immer überwältigt, hat mir ungeheure Energie gegeben.
Wie kommt man denn an die Kindheitsbilder, von denen du sprichst? Das liegt ja zum Teil im Unbewussten, tief vergraben.
Um an solche Augenblicke zu kommen, braucht es einen speziellen Zustand der Absichtslosigkeit; man kann sie nicht erzwingen, aber man kann so aufmerksam sein, sie zu erkennen, wenn sie zurückkommen. Wenn ich am Meer sitze und einfach nur, sagen wir, drei Kinder vor den Wellen spielen sehe, dann kann sich so ein Moment ergeben. Wenn ich gezielt suche, stellt sich immer nur Blockade ein, dann passiert gar nichts.
Freud beschreibt dieses Phänomen ja auch: Wenn man etwa verzweifelt einen Eigennamen sucht, der einem sozusagen auf der Zunge liegen sollte, so wird man ihn erst finden können, wenn man die Suche aufgibt. Erst dann löst sich die assoziative Koppelung mit dem falschen Wort, das einem die Sicht versperrt.
Mich interessiert aber nun, diesen Zustand in eine filmische Methode zu übertragen. Das ist mir erst gelungen, als ich den intellektuellen Zugang verweigert habe. Wenn man dokumentarisch arbeitet, ist man oft stark geleitet von der Theorie und den Möglichkeiten medialer Selbstreflexion. Aber erst als ich das radikal ausgeblendet habe, ist es mir geglückt, Erinnerungsbilder, Stimmungsbilder zu finden, die ich sonst nie gefunden hätte. Die Glücksmomente an solchen Projekten stellen sich genau dort ein, wenn man eines dieser Bilder findet und "zufällig" gerade auch noch die Kamera draufhält. Und auch wenn ich in Japan oder Tibet unterwegs bin: Diese Bilder haben dann plötzlich sehr viel mit den Spuren meiner Erinnerung, meines Gedächtnisses zu tun. Die Verdichtung ist da wichtig: Das Schönste für mich wäre eigentlich ein Film, der nur aus einem Bild bestünde, in dem sich eine bestimmte Empfindungslage spiegelte.
Du hast im Konzept zu deinem jüngsten Projekt den Japaner Takeshi Kitano zitiert, der gesagt hat, man könne aus zehn Bildern einen wirklich bewegenden Film machen. Kann man das, wozu du dich damit bekennst, Minimalismus nennen? Oder eher: Essentialismus?
Um einen anderen Filmemacher zu zitieren: Paradshanov hat immer erschreckt, dass man Kino stets nur mit Dynamik verbindet. Er dreht dieses Klischee radikal um, behauptet, das Statische sei die eigentliche Kraft des Kinos, weil die Bildhaftigkeit dabei umso stärker, unmittelbarer sein müsse.
Zu deinem aktuellen Unternehmen: Die Figur deines Großvaters ist der Startpunkt der "Erzählung", zugleich eine Art Rahmen.
Meine Überlegungen sind davon ausgegangen: Was passiert in einem hundertjährigen Menschenleben im Erinnern, im Gedächtnis? Die Erzählungen meines Großvaters waren sehr sparsam eigentlich, wie ja auch meine, darin hatten wir schon eine Verständigungsmöglichkeit. Ich will da erforschen, was uns verbunden hat, aber auch, was uns getrennt hat: Ich hatte dieses behütete, eigentlich friedliche Leben, nun fast ein halbes Jahrhundert lang, er dagegen eines der Armut, eines mit vielen Lebensjahren im Krieg.
In dieser Figur bündeln sich doch auch einige der zentralen Themen der Arbeit: der Krieg, das Reisen, die Erinnerung. Als jemand, der dich auf lange Reisen mitgenommen hat, war er für dich auch einer, der dir ermöglicht hat, unvertraute, "fremde" Bilder aufnehmen zu können.
Er ist der Ansatzpunkt, in Erinnerung an ihn ist das Projekt erst entstanden.
Er ist, als du ihn gefilmt hast kurz vor seinem Tod, fast so alt wie das Kino; damit hast du die Möglichkeit, im Sprechen über sein Leben und seine Erinnerung, die Geschichte des Films in den Blick zu nehmen. Du verbindest ja seine Person mit gefundenen Filmbildern aus dem Kosovo Konflikt. Ist das wieder: das Zusammendenken von persönlicher und öffentlicher Geschichte?
Da geht es eher darum, von der Bilderlosigkeit zu erzählen, mit der er aufgewachsen ist am Land. Das Kino war für ihn ein Ausnahmeereignis. Visuell, medial waren die heute uralten Leute wesentlich sparsamer mit Bildern versorgt, was zur Blumigkeit ihrer Sprache geführt haben mag, in der eben nicht bloß die vorgefertigten Bild-Text-Schablonen präsent sind. Diese Menschen haben sich ihre Bilder noch selbst generieren müssen, ihre Lebensbilder.
Der neue visuelle Alphabetismus scheint das sprachliche Potential der Menschen, notgedrungen fast, vereinfacht zu haben.
Die Anzahl der Bilder, von denen man tief berührt durchs Leben gegangen ist, war wohl vor hundert Jahren die gleiche wie heute, nur ist man nun mit so vielen Bildern konfrontiert, dass es schwerfällt, darunter noch eigene zu finden. Das Visualisieren gibt es ja etwa auch als alte Meditationstechnik, die Bilder sind ja in jeder Menschheitsstufe schon angelegt. Es ist nur schwierig geworden, Orientierungsbilder zu finden; mein Großvater konnte Ereignisse, wenn er sich erinnerte, mit Worten beschreiben, wie ich das längst nicht mehr kann - weil diese Ereignisse in seinem Gedächtnis durch nichts anderes verstellt worden sind.
Der Krieg dringt, während du deinen Großvater im Altersheim filmst, als Nachricht aus dem Fernsehgerät im Hintergrund. Darin geht es zwar um den Kosovo-Konflikt, aber in deiner Arbeit scheint es um den Krieg an sich zu gehen.
Ja, mein Großvater hat mir vom Krieg erzählt, vom Ersten Weltkrieg, dessen Schlachten er als die entsetzlichste Erfahrung seines Lebens gesehen hat. Das ist, wenigstens implizit, ein Thema - und dann geht es um mediale Kriegsbilder, um den Golfkrieg und um die Auseinandersetzungen am Balkan und in Afghanistan.
Die Erinnerungen deines Großvaters, vor allem jene seiner letzten eineinhalb Jahre, haben dich besonders interessiert?
Die Frage ist, was passiert mit dir, wenn du bis ganz zuletzt aus deinem Leben, aus der Erinnerung schöpfst, was mir ja auch - jetzt schon - passiert: Ich bemerke, dass ich Kraft aus dem Erinnern gewinne. Wie ist das nun kurz vor dem Tod, wenn sich das Leben gewissermaßen umgedreht hat, wenn man nichts wesentliches Neues mehr erlebt, sich nur noch erinnert? Darin muss etwas Tröstliches, Kräftigendes liegen, sonst käme man als Todkranker nicht noch so weit. Das Erinnern, das Visualisieren von bereits Erlebtem, wird irgendwann zum zentralen Lebenswert. Ich versuche zu ergründen, wie man in sich die für einen selbst wesentlichen, positiv besetzten Bilder wiederfindet.
Siehst du deine Arbeiten als Mischungen aus sinnlichen und intellektuellen Ereignissen?
Mein Hauptproblem ist eigentlich, dass ich diese beiden Ebenen fast voneinander trenne. Auf der Textebene bin ich schnell bei der Theorie, im Bildlichen eher bei der Sinnlichkeit. Meine Utopie wäre es, in Bildern, ohne Text, so argumentieren zu können wie in der Schrift; ein Kino, das nicht dieses schriftgeprägte intellektuelle Zentrum braucht. Der Versuch der Installation "Bilder der flüchtigen Welt" geht eben dahin: Drei Bilder werden zu- und gegeneinander gestellt, die über die Sinnlichkeit auch eine Denkebene mit ansprechen. Es geht mir ums Denken in Bildern. Ich betrachte die Installation als eine Art Konzentrationsraum.
Die nebeneinanderstehenden Bilder sollen einander kommentieren und überlagern im Kopf, wie in einer Dreifachbelichtung?
Ja, wobei die Tonebene beweglich, im Fluss sein soll, sich immer wieder verlagern wird.
Die Themen und Motive, die sich in deiner neuen Installation wiederfinden, scheinen fast so etwas wie eine Rekapitulation früherer Arbeiten darzustellen. Ist sie nun auch ein "Schlüsselwerk"? Eine vorläufige Summe deines Schaffens?
Eindeutig, ja. Das liegt daran, dass ich mich gern wieder mit bestimmten Materialien auseinandersetze, die ich vor, sagen wir, zwanzig Jahren ganz anders interpretiert habe. In gewisser Weise erfüllt das Projekt, konzentriert auf die Ebene Erinnerung & Gedächtnis, die Funktion einer gründlichen Aufarbeitung meines Archivs, mit der ich mich wieder frei machen kann für neue Ansätze und Ideen. Das hat auch reinigende Funktion. Ich habe das Gefühl, dass der Speicher sozusagen voll ist. Es ist Zeit, ihn noch einmal durchzuarbeiten.
In diesem Archiv, von dem du sprichst, liegt Selbstgedrehtes, aber auch Gefundenes, Geborgtes, Gekauftes. Hast du das systematisch aufgebaut?
Es ist so weit systematisiert, dass ich jederzeit Zugriff auf die Dinge habe, die ich benutzen will oder könnte. Das Schwierige ist eher, einen schlüssigen künstlerischen Umgang dafür zu finden. Aber ich habe da faszinierendes Material: Ein Bekannter etwa hat seinerzeit die Mondlandung auf Schmalspurfilm vom Fernsehschirm live abgefilmt, hat diesen Menschheitsmoment festgehalten in seltsam brüchigen Bildern, die fast einen Geisterbildeffekt aufweisen.
Eine Hauptlinie in deiner Arbeit gilt offenbar dem Begriffspaar Vertrautes/Fremdes. Man hat oft das Gefühl, dass du dich bemühst, das Vertraute so fremd wie möglich darzustellen und einem andererseits das Fremde, wo es geht, vertraut zu machen.
Das möchte ich eigentlich als Lebensprinzip für mich in Anspruch nehmen. Ob meine Arbeiten das leisten können, müssen andere beurteilen, aber für mich gilt das schon. Ich vermeide etwa zu sagen, ich reise in ein bestimmtes Land, ich ziehe es vor, zu sagen, ich will dort sein. Meine Filme sind keine "Reiseerinnerungen", sondern Eindrücke einer Welt, in die ich meine eigene mitgenommen habe und dadurch zu einer bestimmten Mischung aus Vertrautem und Fremdem komme. Orson Welles hat eine Zeitlang überallhin einen kleinen Fensterrahmen mitgenommen, um so zu gewährleisten, stets einen Frame zu haben, der ihm sicher war. Diese Funktion hat bei mir die Kamera, sie ist für mich ein Hilfsmittel der Annäherung.
Ist die Kamera nicht auch ein Instrument der Distanzierung? Du stellst ja mit ihr etwas zwischen dich und die Welt, die du aufzeichnest.
Sagen wir so: Ich versuche mich mit der Kamera der Welt anzunähern, aber natürlich ist sie auch ein Schutzschild, das mich davon entbindet, mich den Personen direkt zu nähern. Der Filmemacher als Typ ist ja eher Voyeur als Exhibitionist.
In deinen Produktionen, speziell in der "ma"-Trilogie, fällt der Aspekt der Eindringung auf. Du scheinst unter die Oberfläche der bewegten Welt zu dringen. Du hast vom "zweiten Blick" gesprochen, den du suchst; ist es diese Art des eindringenden Sehens, dass du damit meinst?
Da meine ich eher den Blick des Zusehers, den dieser in den Film mit einbringt. Der erste Blick ist meiner, der zweite seiner; durch die Montage versuche ich, ihm diese Möglichkeit zu geben.
Die Betonung der "Leerräume" ist ein Zentrum deiner Arbeit.
Ich versuche zu ergründen, was zwischen den Bildern ist: Wenn z.B. eine Kamera, die einen Schwenk von Punkt A nach Punkt B schwenkt, etwas völlig anderes liefert als das menschliche Auge, wenn es von A nach B springt. Das Auge in Verbindung mit dem Gehirn blendet nämlich alles aus, was dazwischen ist, die Kamera aber tut das nicht, sie nimmt den Raum dazwischen zur Kenntnis. Diese Zwischenräume sind in meiner Arbeit wesentlich. Das "ma"-Zeichen, das meiner Trilogie den Titel gegeben hat, steht für genau das: für Raum und Zeit plus Leere oder Zwischenraum. Das ist kein Widerspruch: Wenn ich Raum und Zeit empfinde, empfinde ich auch die Räume zwischen diesen Begriffen.
Ein Misstrauen gegen die uns umgebenden Laufbilder ist unbedingt am Platz. Gilt das nicht auch für deine eigenen Bilder? Sind nicht auch sie Produkte einer nicht allgemeingültigen Sicht? Wie "wahr" sind denn deine Bilder? Selbst wenn sie deinen Empfindungen entsprechen: Entkommst du etwa dem "exotischen", dem touristischen, vereinnahmenden Blick?
Natürlich nicht. Aber meine Bestrebung ist eben, dem entgegenzuwirken. Wenn ich unter dem Etikett "Reisefilm" leide, dann deshalb, weil darin ein Quäntchen Wahrheit steckt. Aber ich glaube wirklich, dass man es dem Material ansehen kann, wo ich Ruhe hatte und in dem Zustand der Offenheit war, der nötig ist, um gute Bilder zu finden. Es gibt einfach schlechte Tage, an denen man nicht den Blick aufbringen kann, den man sich wünscht. Was Wahrheit und Lüge betrifft: Kiarostami sagt, im Film reihe man Unwahrheiten aneinander, um zu einer höheren Wahrheit zu gelangen.
Zu den großen Lügen der Bilderindustrie gehört die Darstellung des Krieges als steriles, "virtuelles" Manöver, in dem digitale Einstellungen von Zielen und Einschlägen eine Sachlichkeit signalisieren, die es nicht gibt. Ob man die nächtlichen Luftschläge gegen Sarajewo oder Afghanistan betrachtet oder die kollabierenden Zwillingstürme: Das sind gereinigte Bilder, in denen der Krieg umgemünzt wird in Schauwerte, in leicht konsumierbare, sogar "schöne" Bilder. Wenn nun jemand wie du vom Krieg erzählt, siehst du es dann auch als Aufgabe, etwas von dem Schmerz zurückzugewinnen, der in diesen Bildern fehlt? Wie geht man um mit der Vorgabe solcher Bilder?
Die Frage nach dem Umgang mit Kriegsbildern löst bei mir zunächst Ratlosigkeit aus. Dass dabei immer in gewisser Weise gelogen wird, weiß ohnehin jeder kritische Medienbeobachter. Ich orientiere mich gegenwärtig eigentlich nur noch an Leuten, die irgendwelchen Hilfsorganisationen angehören, nur sie sind für mich noch halbwegs glaubwürdig. Da sie aber, wenigstens manchmal, auch in den Medien auftauchen, kann ich eine klarere Sicht der Dinge zumindest suchen. Es gibt da Nischen. In den ersten paar Tagen nach dem 11. September war das noch nicht so, da schien eine andere Sicht der Dinge als jene unentwegt wiederholte gar nicht möglich. Medien funktionieren nur über Emotionalisierung: Eine solche mediale Emotionalisierung wie heute weltweit hat es vermutlich noch nie gegeben. Das Ungleichgewicht dabei ist eklatant: Man weiß ja, wie viel Grauenvolles passiert, das die Medien gar nicht wahrnehmen.
Der Terroranschlag war ja nur optisch eine Neuigkeit, inhaltlich steht er in einer jahrhundertealten, unverbrüchlichen Schreckenstradition. Da hier aber das visuelle Erlebnis so sehr in den Vordergrund rückt, bietet sich der Anschlag förmlich an, von den Zerstreuungsmaschinen der Unterhaltungsindustrie benutzt zu werden.
Es ist ja auch interessant, dass der Angriff etwa auf das Pentagon sehr schnell aus dem Blickfeld gerückt ist. Auch als Bild hat das kaum noch jemand präsent. Als Ikone ist nur das Bild der Twin Towers übriggeblieben. Diese universellen Bilder, die sozusagen menschheitsübergreifend funktionieren, sind komischerweise meist technoide Bilder oder Katastrophenbilder, ob das jetzt die Mondlandung ist oder die Challenger-Katastrophe. Es braucht offenbar diesen katastrophischen Technik-Wahn-Effekt, der die Bilder zu Welt-Bildern macht.
Andererseits gehört doch dazu auch der Zapruder-Amateurfilm von der Ermordung John F. Kennedys.
Gut, da gibt es zwei Varianten - die Dinge, die sich seit den achtziger Jahren in Live-Übertragungen ereignet haben, und jene früheren, die noch auf andere Weise zu Welt-Bildern wurden. Die Frage ist aber: Warum gibt es keine anderen sinnstiftenden Bilder auf der Welt? Warum braucht es diesen Touch des Grauens oder der wahnsinnigen menschlichen Leistung?
Es gibt Schlüsselbilder in deinem Werk, die immer wieder auftauchen, etwa das der Kinder im chinesischen Kindergarten, die da Plakate der Viererbande bewerfen. Du verwendest dieses Bild fast wie ein Welt-Bild, aber es ist ein ganz persönliches, von dir gemachtes. Verändert sich die Bedeutung dieses Bildes für dich immer wieder?
Dieses Bild ist ein gutes Beispiel, weil sich davon ausgehend auch für mich geschichtlich vieles verändert hat. 1976 hätte ich nach China reisen sollen, aber dann kam es zu diesem starken Erdbeben und zum Tod Maos, so sind wir erst 1977 gefahren. Da hatte der Endkampf gegen die Viererbande, als Ausläufer der Kulturrevolution, schon begonnen. Natürlich war auch ich politisch schon vorgeprägt durch die Uni, wo wir immer schon China diskutiert haben als Modell und Faszinosum. Dort selbst wurde ich aber mit Dingen konfrontiert, die für mich unfassbar waren. Wie man dort Propaganda ausübte und mit politischen Gegnern umging, war mir davor nicht klar gewesen. In China habe ich, als Linker geprägt, erlebt, was in einer kommunistischen Gesellschaft tatsächlich ablaufen kann.
Es waren ja auch immer wieder die Intellektuellen, die in China verfolgt, gefoltert und umgebracht wurden.
In dieser Dimension - Mao ein größerer Massenmörder als Stalin - war das damals für mich nicht fassbar. China hatte man davor eher als exotisch sehen können. Und was in Tibet damals furchtbares passiert ist, da habe ich auch nichts davon gewusst. Und erst zwölf Jahre später wurde ich durch die Kameraarbeit an einem Film mit der Situation der Tibeter befasst. Und Bezüge zu dieser politischen Unterdrückung in Tibet fließen auch in das Projekt ein. Diese politischen Themen - und ihre Bilder - haben meine Biographie mitgeprägt, haben mich verfolgt. Aufnahmen wie das Viererbanden-Bild sind zu Lebens-Orientierungspunkten geworden, die mich immer wieder zurückholen, zum Nachdenken bringen über die Stationen meines Lebens.
Wenn du jetzt, als Dokumentarist, Bilder suchst und findest: Weißt du da schon im Moment des Drehens, was du davon brauchen wirst?
Natürlich, ich habe ja auch Auftragskameraarbeiten gemacht, wo man unter viel härteren Bedingungen dreht, weil man nur Bilder abliefern soll, die dann auch ins Konzept passen. Das sind Erfahrungen, bei denen man lernt zu sehen, was wichtig ist oder sein könnte, und diese Erfahrungen fließen dann auch in meine eigenen Arbeiten ein. Bei mir ist es nur so, dass ich meist gleichzeitig auch noch Ton aufnehme und oft minutenlang auf etwas warten muss, obwohl sich im Bild selbst gar nicht viel abspielt. Aber auch da stellt sich so etwas wie Routine ein, ein Wissen darum, dass das Warten oft nötig ist. Das hat eben auch mit der eigenen Haltung beim Filmemachen zu tun: Wenn man durch die Kamera schaut und seiner Umwelt zu verstehen gibt, dass jetzt sofort - für die Kamera - auch etwas zu passieren habe, wird man Probleme haben. Ich versuche eher, den Eindruck zu vermitteln, dass ich da bin und die Kamera nur dabeihabe. So kriegt man Bilder, die anders nie zu haben wären.
Du bist ein Grenzgänger zwischen den Formaten: Das Experimentelle und das Dokumentarische fließen in deiner Arbeit oft zusammen, in der du Film und Video verwendest und zwischen klassischer Filmprojektion und bildender Kunst, zwischen optischen und klanglichen Installationen pendelst. Und du bist jemand, der sich zwischen Schnitt, Kamera, Regie und Produktion nicht entscheiden mag. Diese Bewegung zwischen den Sparten und Möglichkeiten, ist das für dich auch eine Art Lebensprinzip?
Ich glaube schon. Meine Arbeit, ob man die jetzt Kunst nennt oder nicht, entspringt einer Lebenshaltung, einer Neugier, einer Vermeidung von Routine, einer Suche nach verschiedenen Möglichkeiten.
Man hat den Eindruck, dass du es dir - speziell auch nach dem Erfolg deines Dokumentarfilms "Erinnerungen an ein verlorenes Land" 1987/88 - viel leichter hättest machen können. Statt die Dokumentaristenlaufbahn einzuschlagen, hast du einen komplizierteren Weg gewählt. Du hast dich, scheint es, von den "wichtigen" Themen, sozusagen vom "Journalistischen" wieder wegbewegt, hin zum Lyrischen, ganz Persönlichen. Entspricht das auch deiner Selbstsicht?
Nicht unbedingt. Ich habe ja nachher weiter erfolgreich Dokumentarfilme gemacht, z.B. „Vom Leben, Lieben, Sterben“ oder auch bei Projekten Kamera, Schnitt und Produktion gemacht. Aber natürlich sehe ich die verschiedenen Phasen, die ich durchlaufe - und weil du "Erinnerungen" ansprichst: Ich arbeite gegenwärtig wieder an einem Dokumentarfilmprojekt. Aber wäre ich gezwungen, mich ab sofort zu spezialisieren auf, sagen wir, Schnitt oder Produktion, so würde ich eher ganz mit dem Filmemachen aufhören, als dem zu entsprechen. Es geht mir nicht per se darum, in der Filmbranche zu überleben, sondern das zu verfolgen, was mich interessiert.
In einem Interview hast du von deiner Liebe zu filmischen Großproduktionen, zum CinemaScope-Kino, zu Coppola und Lynch gesprochen. Diese Referenz, das hochgerüstete, schwerindustrielle Kino, scheint deiner Arbeit diametral entgegen zu stehen, die man radikal unabhängig nennen könnte: "ungefilterte" Ein-Mann-Arbeiten. Würdest du jemals deine Unabhängigkeit auch nur projektweise aufgeben, um etwas Großes, höher Technisiertes machen zu können?
Dazu wird sich kaum Gelegenheit ergeben. Aber Coppola steht ja auch für radikalen persönlichen Wahnsinn - oder Lynch und Paradshanov: Das sind ja Leute, die sich eine sehr autarke Position im Kino bewahrt haben, auch über das Malerische in ihrer Arbeit. Es gibt ein persönliches Arbeiten innerhalb der Industrie, von Chabrol bis hin zu Bigelows "Strange Days" und Shyamalans "The Sixth Sense".
In deiner Arbeit hast du stets auch Verbindungen zum Sozialpolitischen gesucht, nie nur "schöne" Bilder und Töne gemacht. Siehst du dich als Teil der interventionistischen, sozial eingreifenden Kunst, die ja gegenwärtig auch in Österreich viel praktiziert wird?
Ich mag mich selbst da nicht ein- oder ausgrenzen. Ich habe ja mit sechzehn, Anfang der siebziger Jahre, schon den ersten richtig aufwendigen Amateur-Spielfilm gemacht. Ich war eigentlich immer schon der Besessene, der Künstler werden wollte, habe da Regie geführt, geschnitten, die Hauptrolle gespielt in einem ganz "kritischen", gegen die Übermacht der Werbung agitierenden Film. Die sozialpolitische Prägung meiner ersten Videoarbeiten, die beispielsweise zu dem Medienwerkstatt-Projekt "Volks Stöhnende Knochenschau" geführt hat, ließ die künstlerischen Aspekte oft ein wenig in den Hintergrund treten. Da war man eher medialer Sozialarbeiter, der bestimmten Gruppen Ausdrucksmöglichkeiten in die Hand gegeben hat. Das hat uns aber alle irgendwann angeödet, weil es einen vollkommen falschen Ansatz hatte: Man hat geglaubt, die Leute nehmen jetzt die Videokamera selbst in die Hand und berichten über ihre Angelegenheiten. Dem war dann natürlich nur selten so. Eine Zeitlang kam die Faszination sicher auch daher, dass die meisten Medien mit den neuen sozialpolitischen Strömungen gar noch nichts anfangen konnten, über Demonstrationen zum Beispiel wurde kaum berichtet. Das hat sich bald geändert. Themen, die vormals nur von den alternativen Mediengruppen aufgegriffen wurden, kamen auch immer mehr in den etablierteren Medien vor. Um auf die Frage nach der sozial eingreifenden Kunst zurückzukommen, ich interessiere mich für diese neuen Strömungen. Ich finde es gut, wenn zum Beispiel beim 3-Sat-Videopreis heuer hauptsächlich Produktionen aus dem Bereich gesellschaftspolitisch engagierter Kunst ausgewählt wurden. Aber wahrscheinlich aus meiner Biografie herrührend stehe ich auch vielen Arbeiten viel kritischer als früher gegenüber.
Dennoch: Ich halte auch einen Film wie "Tibetische Erinnerungen" für eine politische Arbeit, allerdings ist dabei auch so etwas wie ein Rückzug in dich selbst bemerkbar, ein Rückzug in die eigene Gefühlswelt. Oder: Du bringst dich selbst als Subjekt zurück in die Kunst.
Das nötige Vertrauen in mich zu gewinnen, um anderen zu zeigen was ich aus mir schöpfe, das ist ja auch ein Prozess, der mit dem Älterwerden selbstverständlicher wird. Daher ist eine subjektive Position leichter nach außen zu tragen. Aber wie schon gesagt: ich bin an Themen für einen Dokumentarfilm dran. Aber meistens finde nicht ich, sondern ich werde gefunden, werde überrascht von einem Thema. Natürlich zweifle ich auch immer wieder an meinen Ideen: Ist das nur noch die subjektive Leier? Sollte ich mich nicht vielmehr auch an offenen Fragen, Problemen abarbeiten? Gerade auch in einer politischen Situation wie der in Österreich gegebenen?
Wer vom Krieg der Bilder erzählt, spricht auch davon: Welche Nachrichten erreichen uns, wer sendet was? Welche Botschaften will man verbreiten, welche unterdrücken?
Mich hat vor allem der Apparat hinter den Bildern interessiert, der die Kriege zu leeren - oder auch besonders "attraktiven" - Bildern verarbeitet. Und welche Töne, Kommentare werden dazu gesetzt? Ich halte den Begriff "blinde Sehmaschinen" für sehr passend: Man schickt Blickmaschinen los, von der Überwachungskamera bis zur sich selbst und andere zerstörenden Bombenkamera, mit der der Mensch die Stufe des Humanen hinter sich lässt. Die Bilder enden stets mit dem Einschlag der Bombe, danach kommt nur noch leeres weißes Rauschen. Die enge Beziehung, die es zwischen Bildmaschinen und militärischen Maschinen gibt, führt letztlich - in der Live-Übertragung - immer zur Auslöschung: des eigenen Blicks und dessen, was man trifft. Wie Günther Anders das in bezug auf die Atombombe immer gesagt hat: Damit hat sich der Mensch auf Probleme eingelassen, die sein Fassungsvermögen übersteigen, mit denen er nicht mehr umgehen kann. Heute können die Menschen überall „hinsehen“. Du siehst Terrorattacken am Fernseher und gleichzeitig können Kamerakapseln in dein Innerstes vordringen. Und ich habe das Gefühl, dass in diese Bilder immer häufiger der Faktor „Angst vor irgendetwas“ eingeschrieben ist. Michael Moore zeigt das ja sehr schön polemisch in seinem Film „Bowling for Columbine“. Mir ist dabei der Begriff der Blindheit der Sehmaschinen wichtig: Sie drehen mit, sie zeichnen auf, aber sie haben die menschliche Dimension der Kontextualisierung der Bilder nicht. Es gibt hinter ihrem "Sehen" keine intellektuelle Erfassung mehr, keine Möglichkeit echten Sehens und Sichtens, der Einordnung des aufgezeichneten Materials.
In gewisser Weise ist die Arbeit dieser aufzeichnenden Bomben die primitivste Form des Dokumentarismus: die Verengung des Blicks auf ein Ziel hin, das es zu vernichten gilt. Da braucht es keine Reflexion mehr, es gibt nur noch ein kurzes Vorher - und dann das Ende der Übertragung.
Wenn man das nun mit dem Film "Peeping Tom" vergleicht: Die Maschine des Mörders ist, in ihrem Wesen, die gleiche, aber in der grausamen Faszination des Schreckens, die die Bilder der Todgeweihten mitliefern, liegt eine Form des - zwar pervertierten, aber noch immer menschlichen - Sehens, keine Blindheit. Die Kamerabombe dagegen blendet jede Emotion aus, zugleich aber wird sie zu einem analytischen Instrument, das uns zeigt, wie "man richtig Krieg macht" - mit Vorgabe und Vernichtung eines Ziels. Aber was in diesem Ziel ist, das Gute, das Böse, was auch immer, bleibt offen. Eine moralische Komponente - oder sogar nur: die politische Entscheidungsfähigkeit - wird plangemäß komplett ausgeschlossen.
Serge Daney schreibt: Jede Macht hat ihr Visuelles. Ist deine Arbeit in diesem Sinn auch als eine Kritik der Herrschaft (und Blick-Herrschaft) der westlichen Welt zu verstehen?
Sicher, bleiben wir bei den Bildern der ferngesteuerten Bomben. Was übrig bleibt in der Darstellung ist der Endzweck, also eigentlich nur mehr das Fadenkreuz selbst. Was dahinter an Auslöschung und Vernichtung steht, spielt kaum mehr eine Rolle.
Zur Geschichte des leeren Videobandes scheint das fernöstliche Konzept der Leere zu passen.
Unbedingt. Ich bin kein Esoteriker, aber der Logik, dass das Leere, der Zwischenraum, gleichbedeutend mit dem Vollen ist, kann ich mich nicht entziehen.
Das Shikiri-Ritual, eine Form des vorab stattfindenden psychologischen Kampfes unter Sumo-Ringern, bildet ein eigenes Kapitel in „Bilder der flüchtigen Welt“.
Das hat wieder mit dem Konzept des Zwischenraums zu tun: Ein Kampf, der realiter zehn Sekunden dauert, nimmt eigentlich mit allen Vorbereitungen gute zehn Minuten oder mehr in Anspruch. In der Abstimmung und Konzentration aufeinander kommen die Kämpfer so weit, dass sie dieselbe Herzfrequenz haben, dass sie ihre Körper in gleiche Schwingungen, Zustände bringen. Das ist nötig, andernfalls könnten ihre Zusammenstöße zu schweren Verletzungen führen. Was man heute, medial vermittelt, als Sache von zehn Minuten erlebt, hat früher fünf, sechs Stunden gedauert. Der traditionelle Kern des Kampfes war die Einstimmung aufeinander, die man fürs Fernsehen radikal verknappt hat.
Gibt es diese Art des ritualisierten Sports nicht auch in der westlichen Welt? Etwa im American Football spielt sich doch auch alles in Sekundenschnelle ab, aber der eigentlichen Aktion gehen minutenlange, elaborierte Vorbereitungen voraus. Und in der Fernsehübertragung ist das dann auch wieder gebrochen durch Werbeblocks und andere Interferenzen.
Ja, aber die erhöhte Faszination gegenüber dem Mannschaftssport Football ist die Eins-zu-eins-Mann-gegen-Mann-Auseinandersetzung im Sumo. Was mich da interessiert, ist die klare Form des Rituals, die Situation aus Anspannung und Leere.
In einem anderen Segment von „Bilder der flüchtigen Welt“ greifst du auf frühe, politisierte Medienwerkstattfilme zurück, auf Anti-Atom-Agitation und Demo-Filme.
Das sind Materialien, die für mich sehr prägend waren - sowohl in der politischen als auch in der medialen Entwicklung.
Du schreibst dem einstmals so aktuellen Medium Video ganz explizit die Rolle zu, die heute das Internet innehat: ein modernes, schnelles Kommunikationsmittel mit dem Potential sozialer Sprengkraft.
Schon bei Brecht und Benjamin ist immer die Rede davon, die Technologie der Zeit zu nutzen im Sinne einer politischen Entwicklung. Als wir Anfang der siebziger Jahre zu arbeiten angefangen haben, war Video als das Medium künstlerischer und politischer Neuansätze unumgänglich. Die jeweils neueste Technologie erscheint zuerst immer als ein unbesetztes Feld, das eben auch für politisch aktive Gruppen oder auch für Künstler attraktiv ist.
Im Abschnitt "Welterfahrung“ schließlich versammelst du Welt-Bilder zum Golfkrieg, zu Tienanmen und Tschernobyl. Da geht es dir auch um die Frage des Verschwindens der Ereignisse hinter den Bildern. Ein "gutes" Bild kann ja die Komplexität einer Sache auch einfach löschen, die Existenz eines Bildes kann verhindern, dass man etwas sieht.
Ich habe das ganz eigenartig beim Anschlag vom 11.September erlebt. Heute wirken die Einstellungen vom Einsturz der Twin Towers ja schon seltsam historisch. Ich habe das wirklich ganz verschieden wahrgenommen: Anfangs, in dieser ersten Woche, hatten die Bilder einen ganz anderen Kontext als jetzt, wo sie auf mich viel emotionalisierender, auch erschreckender wirken. Anfangs habe ich die Bilder als lange nicht so bedrohlich wahrgenommen, was vielleicht auch extreme Verdrängung gewesen sein mag. Es ist fast so, als hätten die Bilder mich nun eingeholt, als könnte ich sie jetzt erst langsam einschätzen. In der anfänglichen Dauerwiederholung der Szenen war mir das unmöglich.
"Bilder des Glücks" heißt, antithetisch fast, die direkt folgende Episode.
Jene bestimmte Art des Glücks, die ich da anspreche, kann man, glaube ich, nur als Kind tatsächlich empfinden. Intellektuell unverstellt, mit direktem Zugang zu Lust und Freude am eigenen Leben.
Man könnte also sagen, dass das Kapitel davor den "öffentlichen" Schreckensbildern gilt, dieses dagegen den Glücksbildern, die ganz privat, bei dir sind. Gibt es nicht auch öffentliche Bilder des Glücks? Kollektivtaugliche positive Welt-Bilder?
Vielleicht misstraue ich denen zu sehr. Ich glaube wirklich, dass die Basis aller auch späterer Glücksbilder kindlich geprägt ist. Man tendiert ja etwa auch dazu, sich Lebenssituationen zu suchen, die jener ähneln, die man als Kind um sich hatte.
Womit wir wieder bei der Erinnerung wären: Als Begriff taucht sie in den Titeln von immerhin drei deiner Arbeiten auf. Bei Proust heißt es: "Die Vergangenheit versteckt sich irgendwo jenseits des Zugriffs des Intellekts, in einem materiellen Objekt, in dem wir sie nicht vermuten." Das passt auf viele deiner Bilder, die oft auch eher ans Sinnliche, Körperliche gebunden zu sein scheinen als ans Denken.
Das Materielle, das da angesprochen ist, definiert sich für mich so: Als Projekt über die Erinnerung kann das nur funktionieren, wenn man das subjektive Finden berücksichtigt. Was ich an Erinnerungsspuren aufbewahre, muss durch meine Kamera gegangen sein. Die anderen Bilder sind zwar gleichwertig da, aber ihnen gegenüber müssen meine Bilder stehen, die ich selbst gefunden habe. Diese spezielle subjektive Sicht könnte ich mit found footage allein nicht zeigen. Die Glücksmomente, die einem bei der Filmarbeit passieren, stellen sich über eine Situation her, die man selbst inszeniert hat. Wenn man auch das Finden eines Glücksbildes sich selbst nicht verordnen kann.
Aber man kann es einladen.
Man kann es einladen, ja. Aber ich muss mich dazu auch selbst einladen, mich in diesen speziellen dafür benötigten Gemütszustand begeben.