Das Meer erzählt nur vom Meer |
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Du hast den Wind nie wehen gehört.
Der Wind erzählt nur vom Wind.
Was du ihn sagen hörtest, war Lüge,
Und diese Lüge ist in dir.
Aus: Fernando Pessoa, O mar só fala do mar
Inspiriert von diesem Gedicht präsentiert Manfred Neuwirth mit Das Meer erzählt nur vom Meer eine Drei-Kanal-Medieninstallation, in der er sich einem der ältesten Ewigkeitssymbole der Menschheit widmet. Gefilmt wurde an einem Strand in Arrifana, Portugal, der sphärische Sound stammt von dem Klangkünstler Christian Fennesz. In drei durch kurze Schwarzblenden getrennten Einstellungen wird der Blick freigegeben auf das Meer und den Strand, vereinzelt werden auch Unterwasserbilder gezeigt. Die Aufnahmen folgen dem Tagesverlauf und reichen von frühmorgens bis spätabends. Auf den ersten Blick sind es dokumentarische Bilder, und doch scheint es gerade die Ambivalenz zwischen Dokument und Symbol zu sein, die Neuwirth indirekt thematisiert. Einerseits verbietet schon das Meer an sich eine klare Begrenzung zwischen sich selbst und seiner Umwelt. Ebbe und Flut, Jahreszeiten und Mondphasen beeinflussen den variierenden Ort, an dem das Meer endet. Die Wellenbewegungen verleiben sich einmal mehr, einmal weniger Strandraum ein. Das Meer befindet sich im permanenten Dialog mit anderen Elementen, ist durch den unaufhörlichen Wandel, den es verkörpert, definiert. Dies spiegelt sich in Neuwirths Bildern, die abgesehen vom Ozean auch den Strand, die Luft und das Licht erfahrbar machen und den Menschen in Relation zu dieser Szenerie setzen. Menschen laufen und spazieren den Strand entlang, treffen sich in Gruppen, genießen es, Teil der Natur zu sein. In ihren Bewegungen sind sie in der linken und rechten Bildprojektion oft gegenläufig zu sehen, während das mittlere Bild die „leere“ Natur zeigt. Der ornamentale Effekt, der sich dadurch einstellt, verweist auf die sinnbildliche Deutung, die das Meer im Laufe der Kulturgeschichte erfuhr. Als Ort der Mythen, Symbol alles Lebens und des Unbewussten gab und gibt es der Menschheit eine unendliche Projektions- und Reflexionsfläche für all jene „Lügen", die Fernando Pessoa in seinem Gedicht beschrieb.
Susanne Watzenboeck
Katalog | Rendezvous mit der Sammlung – Kunst von 1960 bis heute
Landesgalerie Niederösterreich