Die Welt heil wie noch nie |
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Brigitte Mayr und Michael Omasta im Gespräch mit Manfred Neuwirth
Ihr Film hat als einzige der österreichischen Produktionen des letzten Jahres angenehm überrascht Er beschäftigt sich mit einem der größten militärischen Sperrgebiete Europas, dem Truppenübungsplatz Allentsteig.
Aus der Heimatkunde kannte ich noch diesen schönen weißen Flecken, oben auf der Landkarte, aber bis vor zwei Jahren habe ich von der ganzen Thematik eigentlich nichts gewußt. Daß der auch eine Geschichte hat, daß zwischen 1938 und 42 etwa 40 Dörfer ausgesiedelt wurden, hatten wir in der Schule nie gehört.
Durch den Historiker Fritz Polleroß habe ich mir viel an Recherche erspart. Der zeigte eine Ausstellung an der „Waldviertel-Akademie”, kannte bereits viele Leute und genoß ihr Vertrauen. Einen großen Teil der Interviews haben wir dann auch mit ihm (als Interviewer) gemacht, was sehr geholfen hat. Man muß aber auch sagen, daß wir zwanzig, also doppelt so viele Gespräche gemacht haben, wie jetzt im Film sind. Jedes einzelne hat zwischen drei und vier Stunden gedauert.
Es ist sehr schön, daß die Interviews im Film nicht geschnitten, sondern mittels Schwarzfilmkader montiert sind.
Ich zitiere da gerne Wildenhahn als Methode, der einen längeren Aufsatz über Film im Vergleich zu Jazz geschrieben hat: Genau diesen Rhythmus zu finden, mit den Lauftiteln als Beruhigungspunkten, als Gegenüberstellung von Vergangenheit und Gegenwart, trotzdem auch meine eigenen handwerklichen Mittel beizubehalten und zu improvisieren, das war mir wichtig.
Bei den ersten Erzählungen haben wir nicht immer mitgedreht, denn ältere Leute haben schon einen ganz anderen Erzählstil und die im Waldviertel ganz besonders (Dialekt) mit ihrer weit ausholenden Art. Im Ansatz hatte ich aber nicht gedacht, daß diese Leute und ihre Geschichten den Film so dominieren würden.
Sie haben aber zusätzlich noch Politiker und einen Historiker befragt.
Withalm und Spannocchi sind ganz bewußt nur als Zeitzeugen eingesetzt und nicht in ihrer speziellen Position. Gerade Withalm, der damals Minister und Spitzenmann der ÖVP war, der seine Rolle auch sehr beschönigt hat, war wesentlich, um aufzuzeigen, was die Republik nach Ende der sowjetischen Besatzung mit. dem Truppenübungsplatz gemacht hat. Dabei waren wir über die Offenheit seiner Kritik am Militär überrascht. Es war der Versuch, die politische Ebene über einen Zeitzeugen und nicht als Kommentar einzubringen. Die kurzen Lauftexte, die den Film strukturieren, die sollten nur inhaltliche Hilfestellung leisten.
Im Vordergrund steht für mich eine Art moralisch-geschichtliche Argumentation: Daß die Nationalsozialisten etwas angefangen hatten, das später die 2. Republik übernommen hat. Zum einen wollte man die Vorteile für das Bundesheer, zum anderen hat man sich aber nie überlegt, daß die meisten der ausgesiedelten Leute noch entschädigt gehört hätten. Über 700 Leute haben später Anträge gestellt, aber als klar war, daß es das Bundesheer wieder geben würde, war das Thema schnell erledigt.
Vor einiger Zeit gab es ja ein skandalöses „Österreichbild” zu dem Thema, wo aber die Welt ab 1955 so heil wie noch nie war; So mit Bundesheer als Wirtschaftsmotor und mit Panzern vor Sonnenuntergang,... deshalb, und weil die Region noch immer durch den Truppenübungsplatz geprägt ist, das bißchen Moral im Film.
Wann hatten Sie die Möglichkeit zu drehen?
Anfangs war es nicht sicher, ob wir überhaupt hinein dürfen. Es war dann auch nur möglich anläßlich eines Aussiedlergedenktages, wo die Leute in Militärbussen in ihre alten Siedlungen gekarrt wurden. Da haben wir die Chance genützt, damit man wenigstens sieht, was dort für Ruinen sind.
Es ist ja eine perverse Konstellation: Fragt man, wozu das Heer ein so großes Gebiet braucht, dann argumentiert man - da es ja Fehlschüsse gibt - mit der „Sicherheit der Bevölkerung”. Nur schießen die ja viel weiter als das Gelände groß ist. Also fahren sie 20 Kilometer hinaus und schießen von dort in den Truppenübungsplatz hinein!
Die eine Hälfte des Platzes ist Jagdgebiet, die andere billigst verpachtet. Nur, zeigt man das unreflektiert im Film; dann sieht man einfach nur schöne Landschaft. Natürlich gibt es auch zerbombte Gegenden, aber da haben sie gleich gesagt, das ist geheim.
Eine Sequenz im Film, die über Julius Scheidl, bleibt irgendwie unklar.
Der ist insofern ein guter Fall zur Reflexion, wenn man sieht, wie die Tochter reagiert: „Ja wir habn's ihm eh' immer g'sagt, reg' di net so auf, man kann gegen so ein System nix mach'n.” Es ging ja auch darum, die Aussiedler, die da erzählen, nicht als Widerständische zu verklären, denn die ersten sind sehr gut entschädigt worden und haben sich eigentlich kaum gegen den Verlust ihrer Heimat gewehrt.
Selbst beim Aussiedlertreffen (1988) ist kein Denkmal für Scheidl, der im KZ umgekommen ist, errichtet worden, sondern nur für die, die an der Front gefallen sind. Wie wird also mit jemandem, der so draufgezahlt hat in geschichtlicher Weise und in der Erinnerung umgegangen.
Falter 13/89