Magische Bewegungen |
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Manfred Neuwirths „magic hour” komplettiert eine Trilogie der Zwischenräume
Eine Fleischer-Vitrine, ein Badestrand, ein Küchentischtuch, Brillen oder die Blasmusik vor dem Kirchplatz. Ein Regentag, ein Schneespaziergang. Maschinengeräusche, Musik, Blitz und Donner, Satzfetzen. Aufnahmen, Ausschnitte, in denen sich allmählich etwas konkretisiert, etwas sozusagen objektiv wird oder sich in subjektiver Erweiterung an andere Bilder anschließt.
Aus 54 Einstellungen hat Manfred Neuwirth seine kommentarlosen „Annäherungen an prägende Territorien“ in Bildern und Tönen montiert, magic hour ist nach Tibetische Erinnerungen (1995) und manga train (1998) der dritte Teil einer „Trilogie der Zwischenräume“, die nun bei den Erinnerungen an die eigene Vergangenheit und ihre Orte angelangt ist - (wiedergefunden und aufgezeichnet in Niederösterreich).
Der Titel geht auf eine Beschreibung des Kameramanns Nestor Almendros zurück und bezieht sich auf die paar Minuten zwischen Sonnenuntergang und Dunkelheit, in denen, so Manfred Neuwirth im - Gespräch mit dem STANDARD, „das Licht wirklich zauberhaft ist, weil niemand weiß, woher es kommt.“
Neuwirth hat magic hour ein japanisches Schriftzeichen vorangestellt, das nicht nur den räumlichen Intervall bezeichnet, sondern auch den Zeitraum. Beide werden nicht als leer begriffen und auch in magic hour sind die vielfältigen Zwischenräume allenfalls Öffnungen. Die Arbeitsweise Neuwirths dreht sich auch um Verdichtungen: den 45 Minuten des Videofilms liegen rund zwanzig Stunden Originalmaterial zu Grunde.
Seine „Zwischenblicke“ entstehen, so Neuwirth, „in einer Art Sammeln - das ist immer so eine ‚absichtsvolle Absichtslosigkeit‘, solche Bilder zu kriegen. Die passieren natürlich schon mit dem Ziel, dass solche Bilder entstehen, aber man kann sie nicht erzwingen. Sie laufen dir sozusagen irgendwo vor die Kamera, oder du hörst sie und findest dann das Bild dazu.“
Die Zeit vergeht in magic hour leicht verlangsamt. Den Schwebezustand, den die Zeitlupe an sich erzeugt, unterstützt hier noch die leichte Asynchronität von Bildern und 0-Tönen, die als „Surround Sound“ den (realen) Raum füllen. Bei diesem „Raumklang“ geht es Neuwirth auch darum, „dass man das nicht diesem ,Power-Kino‘, das einen mit allen Effekten zuknallt, überläßt, sondern daß es mit dieser Soundtechnik Arbeitsweisen gibt, die eine andere Wahrnehmung hervorholen können. Das ist, im Unterschied zur Emotionalisierung, die dich quasi terrorisiert, mehr der Versuch, Räume zu öffnen, wo du dich selber einbringen kannst.“
Mit zu den schönsten Einstellungen des Films gehören jene, in denen sich, gewissermaßen nichts rührt, „aber die spezielle Zeitlupen-Bearbeitung doch im Material eingeschrieben ist. Durch die Fünffach-Zeitlupe kriege ich diese Körnung und die wird dann als leichte Bewegung merkbar. Und wenn man sich einmal auf dieses Tempo einlässt, wenn man erst einmal in diesem Fluss drinnen ist, dann werden zum Beispiel die Bewegungen von Menschen fast als normale Bewegungen wahrgenommen.“
Flimmerndes Schwarz und Gewitterblitze also, die die Nacht momentan erhellen. Mitten im Schneegestöber schimmern ein paar Zweige durch, die Lichterexplosionen eines Feuerwerks rinnen langsam nach unten übers Bild, dazu klingt ein Böllern und Zirpen durch die Nacht. Eine Festzelt-Bühne, die von unten langsam Kunstnebel einhüllt. Ein Federballset im Verpackungsnetz. Was man in „magic hour“ sieht, ist nur scheinbar schnell beschrieben.
Isabella Reicher, Der Standard